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Michael Pontasch-Müller bei einem Spritz Aperol in der Hafenstadt Urban Area in Klagenfurt
(c) Lukas Lenhardt

„Der Lendhafen soll sich seine Feinsinnigkeiten erhalten“

Der Lendhafen ist jetzt cool. Und maßgeblich daran beteiligt ist Michael Pontasch-Müller. Im Interview erzählt er über den wilden Ritt der letzten Jahre, den er beim Wachküssen dieses Viertels erlebt hat. Und über weiteres Entwicklungspotenzial.

Als der Rechtsanwalt Michael Pontasch-Müller vor sieben Jahren die Chance erhielt, ein abbruchreifes Haus am Lendhafen in Klagenfurt zu erwerben, witterte er die einmalige Chance, die Entwicklung des gesamten Viertels mitbestimmen zu können und „einmal wirklich etwas zu tun anstatt immer nur zu reden.“

Heute kann man sagen: Seine Vision eines urbanen Orts mit Raum für Feinsinnigkeit und Kreativität ist voll aufgegangen. Der Lendhafen hat sich als Ort der Begegnung und des kulturellen Austausches etabliert. Mit neuen Eventformaten wie dem „HAFENZWITSCHERN“ Ende Mai erfährt der Lendhafen als innerstädtischer Begegnungsort auch endlich das Revival, das er längst verdient hätte. Ein Gespräch mit Pontasch-Müller über Gelegenheitskäufe und Baustellen-Bars, über sanfte Entwicklung und unorthodoxe Partizipation, geführt von Markus Deisenberger.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man als Anwalt selten zu wenig Arbeit hat. Wieso tut man sich dann so etwas wie Stadtentwicklung überhaupt an?

Michael Pontasch-Müller: Zufall. Das kam alles gar nicht absichtlich. Wenn ich zurückdenke, war die Entwicklung im Lendhafenviertel, als ich mich zu involvieren begann, bedenklich. Alles war ein wenig heruntergekommen und es gab viel Leerstand. So war es nur eine Frage der Zeit, bis ein Bauträger kommen und die Gegend im negativsten Sinne gentrifizieren würde.

Bauträger interessieren sich in aller Regel ja nicht für Viertelentwicklung, sondern für Gewinn. Da geht es dann darum, über das letzte Penthouse noch was raus zu quetschen. Ich kam dann über meine Kanzlei relativ zufällig zur Gelegenheit, eines der Häuser hier zu erwerben. Ja, und dann habe ich gedacht: Da hast du jetzt die Möglichkeit, einmal wirklich etwas zu tun anstatt immer nur zu reden…


Wie ging es weiter?

Michael Pontasch-Müller: Ich habe ohne großen Plan das Haus mit Leerstand erworben, und erst dann, nach dem Kauf begonnen, über die Nutzungsart und die mögliche Entwicklung des Viertels nachzudenken.


Gab es vorher eine persönliche Verbindung zur Gegend am Lendhafen?

Michael Pontasch-Müller: Ich war immer schon sehr gerne in diesem Viertel, bin gerne im Lendhafencafé gesessen. Es ist einfach ein schönes Viertel, das mir schon von Kindheit an am Herzen lag. Nach dem Kauf begannen wir also über Nutzungsmöglichkeiten und Investitionen nachzudenken. Da wurde es eigentlich erst spannend, weil natürlich viel zu investieren war.

Zuerst haben wir versucht, über eine Zwischennutzung Kunst und Kultur reinzuholen, sprich: kulturelle Veranstaltungen im Leerstand zu machen. Da haben wir gemerkt, wie sensibilisiert die Bevölkerung für dieses Viertel ist. Dabei sind viele Ideen entstanden. Wir hatten selbst viele Ideen, viele wurden uns aber auch zugetragen.

Wichtig war uns, dass Künstler und Kreative das Viertel entwickeln können. Das funktioniert grundsätzlich ja in jeder Stadt. Also haben wir uns Künstler reingeholt, einen Coworking-Space gegründet, damit auch die Kreativwirtschaft abgebildet wird. Wir haben in Kooperation mit der Stadt kreative Arbeitsplätze geschaffen. So hat das Ganze begonnen.


Das funktioniere in jeder Stadt, sagen Sie. Hat es tatsächlich von Anfang an funktioniert oder gab es auch Stolpersteine und die Notwendigkeit nachzujustieren?

Michael Pontasch-Müller: Es war natürlich „Learning by doing“, aber wir sind ohne gröbere Probleme durchgekommen, weil sich eine super Dynamik entwickelt hat. Die Leute kamen auf uns zu, die Stadt hatte eine Freude mit uns.

Wir bekamen zwar außer, dass sie den Coworking-Space gemietet hat, keine Förderungen, aber wir haben von Anfang an gemerkt, dass die Verantwortlichen davon angetan waren, das sich jemand die Arbeit antut. Es gab immer wieder Überraschungen, aber wenn man ein zweihundert Jahre altes Haus umbaut, dann gehört das wohl dazu. Und insgesamt waren das mehr positive als negative Überraschungen.


Was war die Vision? Jeder Idee einen Raum zu bieten und so eine Belebung des Viertels zu erreichen?

Michael Pontasch-Müller: Ich komme aus der Wirtschaft. Eine Vision war es deshalb natürlich, über eine Attraktivierung des Viertels mittelbar meine Immobilie besser zu machen. Ich will also nicht leugnen, dass ich wusste: Wenn meine Vision aufgeht, und der Lendhafen zu einem spannenden und kreativen Viertel wird, wird auch meine Immobilie an Wert gewinnen bzw. mein Unternehmen davon profitieren.

Aber das Zweite, was für mich zählte, war die spannende Non-Profit-Aufgabe: Denn wann bekommst du als normaler Bürger schon die Möglichkeit, ein ganzes, zwar kleines, aber sehr interessantes Viertel mitgestalten zu können?


Selten bis nie, was eigentlich schade ist. Grundsätzlich wäre ein partizipativer Ansatz, dass man als Anrainer gefragt wird, wie man es gerne hätte und so an der Entwicklung des eigenen Viertels teilhaben kann, ja eine gute Sache, oder?

Michael Pontasch-Müller: Absolut, aber es findet halt in der Regel nicht statt. Wir haben versucht, moderne Elemente der Stadtentwicklung einfließen zu lassen, indem wir mit Zwischennutzungen gearbeitet haben. Ich mache mittlerweile alles mit Zwischennutzungen, weil man so, bis man die endgültige Entscheidung über die Nutzung trifft, die Räume ganz anders wahrnehmen kann.

Wenn ich schon einmal provisorisch etwas gemacht bzw. probiert habe, kriege ich einen ganz anderen Blick für die Räume und deren Nutzungsmöglichkeiten. Das war für den Umbau des Ensembles sehr wichtig. Daraus hat sich auch der partizipative Ansatz ergeben.

Wir hatten schon in der Baustelle eine Bar und haben den Leuten aus der Umgebung zugehört, mit ihnen geredet und sie nach ihren Ideen gefragt. Es gab also einen Beteiligungsprozess, der aber halt kein klassischer war, wie ihn Stadtplaner vorsehen würden, sondern unsere persönliche, unorthodoxe Version von Partizipation.


Dass ich mir bei der provisorischen Nutzung ein Gefühl dafür hole, wie ein Raum funktionieren kann, finde ich hochinteressant. Haben Sie in konkretes Beispiel?

Michael Pontasch-Müller: Klar. Wenn ich Konzerte veranstalte, sehe ich, welche Ecken besonders frequentiert sind, wo sich die Leute gern hinplatzieren. Ich bekomme mit, wo die technischen und baulichen Probleme sind. Wenn du nicht nur theoretisch am Tisch darüber redest, sondern mit anderen Leuten in diesen Räumen bist, dich dort aufhältst, kriegst du alle möglichen Details mit, vom bloßen Feeling bis zu tatsächlichen technischen und baulichen Problemen.

Du fühlst intensiver, von der Akustik über die Optik bis hin zum Baulichen. Wir haben auch outdoor Dinge probiert, die Terrasse für Veranstaltungen genutzt. Viele Dinge sind da zwar logisch wie Sonneneinstrahlung, Wärmentwicklung und Beschattung etwa, das kann man also auch abstrakt konstruieren, aber du spürst es ganz anders, wenn du die Räume zwischennutzt.

Allerdings geht das nur, wenn du keinen Stress hast und nicht schnell baulich fertig sein musst. Dann ist das eine super Idee. Mir hat das enorm viel gebracht – vielleicht auch, weil ich aus einem anderen Gewerbe komme, und mir das nicht wie ein Architekt oder ein erfahrener Interieur-Designer in der Sekunde vorstellen kann. Wenn man sich in den Räumen aufhält, bekommt man einen viel intensiveren Eindruck von der Raumstruktur, den Dimensionen und damit den Möglichkeiten, die man hat.


Wenn Sie sich die Hafenstadt heute anschauen, wie nah ist sie der anfänglichen Vision für dieses Areal gekommen?

Michael Pontasch-Müller: Das ist echt erstaunlich, denn wenn ich die alten Konzepte von 2017 herausnehme – und das tun wir immer wieder – wird schnell deutlich, dass wir fast alles, was wir uns vorgenommen haben, auch umgesetzt haben. Es ist für mich sogar besser geworden als ich es mir jemals vorgestellt habe. Ich bin dankbar und zufrieden, denn letztlich war es eine Reise ins Ungewisse, wenn du das nicht beruflich machst.

Ihr habt also anfangs in Konzepten geträumt, ohne zu wissen, ob es wirklich jemals so weit kommen wird?

Michael Pontasch-Müller: Ja, genau. So war es.


Lassen Sie uns abschließend noch einen Blick in die Zukunft werfen. Was soll noch kommen?

Michael Pontasch-Müller: Wir wollen in der nahen Zukunft noch eine Patisserie aufsperren. Sonst hoffe ich, dass sich die Entwicklung mit den Veranstaltungen im Lendhafen fortträgt, wobei uns natürlich auch aufgrund der engen Stadtsituation bewusst ist, dass wir das sehr sensibel machen müssen.

Wir passen gemeinsam mit den anderen dort tätigen Kulturinitiativen sehr, sehr gut auf den Ort auf. Für eine Partyzone wäre der falsche Ort. Das ist nicht unsere Intuition, sondern ein kultureller und urbaner Ort sein, wo punktuell Veranstaltungen mit hohem Qualitätsanspruch stattfinden. Aber da gibt es schon noch Möglichkeiten der Entwicklung.


Gibt es auch die Gefahr, dass es zu viel wird?

Michael Pontasch-Müller: Die Gefahr gibt es bei schönen Orten immer. Die kann man immer „eventisieren“. Das ist aber überhaupt nicht unser Ansinnen. Das soll ein urbaner Ort sein, der sich seine Feinsinnigkeiten erhält. Die Hafenstadt muss ein Kulturort bleiben. Das ist natürlich nicht allein unsere Aufgabe, aber wir können unseren Teil dazu beitragen. Das sehen auch das Stadtgartenamt und die Behörden so. Da befinden wir uns auf einer guten, gleichlautenden Mission für den Lendhafen.


In einem Wort wie „Knistern“ und „Zwitschern“ steckt ja schon die Feinsinnigkeit. Sonst wäre es ja eine „Explosion“ und ein „Gebrüll“.

Michael Pontasch-Müller: Genau. Davon, von dieser Feinsinnigkeit lebt der Ort. Es wäre der falsche Weg, die Hafenstadt mit Events zuzuknallen, die dem Ort seine Qualität nehmen.


Haben Sie einen Wunsch für die Zukunft?

Michael Pontasch-Müller: Eigentlich sind wir zufrieden. Der Wunsch ist daher, dass vieles so bleibt, wie es ist, weil wir hier ein tolles, großstädtische Lebensgefühl entwickelt haben, sich das Ganze aber sanft weiter entwickelt – es gibt noch Entwicklungspotenzial für den Lendhafen. Und dass noch viele andere, so gute Orte in der Stadt entstehen.

Zur Person: Michael Pontasch-Müller

Rechtsanwalt und Partner bei der renommierten Klagenfurter Rechtsanwaltskanzlei AHP Rechtsanwälte, wo er sich mit Banken-, Insolvenz-, und Wirtschaftsrecht beschäftigt, und Geschäftsführer der Hafenstadt, einem Stadtentwicklungsprojekt, das seinen Anfang während vieler langer Gespräche im Lendhafencafé nahm.

Ziel des Projekts war und ist es, die Hafenstadt als Kreativ-Viertel aufzubauen und eine städtisch-urbane Atmosphäre zu schaffen, in der Menschen mit Ideen ein Raum geboten wird und Kreative ihr Potenzial für Innovation und Evolution abrufen können. Dafür, aber auch für ihre vielseitigen Veranstaltungen ist die Hafenstadt bekannt.

Kommendes Event: Hafenzwitschern

Vom 23. bis zum 26. Mai wird das erste „Hafenzwitschern“ stattfinden. Geboten wird ein Frühlingsmarkt mit einem Mix aus Kultur und Handwerk mit dem Schwerpunkt Kulinarik. Viele Unternehmer der Viertelgastronomie sind mit an Bord. Das Abendprogramm gestaltet der Verein Lendhauer gemeinsam mit dem Verein Vada.

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