Rückblick: Die besten Veranstaltugen der Tage der Alpen-Adria Küche 2021

Da der salzige Hauch mediterraner Leichtigkeit, dort die vermeintlich bodenständige Rohheit der alpinen Bergwelt. Trotz – oder gerade wegen – dieser augenscheinlichen Gegensätze hat der Landstrich zwischen Klagenfurt und Venedig, Pula und Graz vieles gemeinsam. Die 4. Tage der Alpen-Adria Küche von 15. bis 26. September 2021 haben gezeigt, was diese Region zu bieten hat.

Historisch, kulturell aber vor allem kulinarisch. Vom feinen Meeresfisch über hervorragende Fleischspezialitäten bis hin zu aromatischen Almkräutern verschwimmen die Grenzen der Kochtraditionen unter der Prämisse des guten und nachhaltigen Geschmacks.

Im Herzen dieser einzigartigen wie facettenreichen Alpen-Adria Region liegt Klagenfurt am Wörthersee. Und die Kärntner Landeshauptstadt will nicht weniger, als Genusshauptstadt der Alpen-Adria Provinzen werden. Doch hat sie das Zeug dazu? Mit den Tagen der Alpen-Adria Küche ist die Stadt auf einem sehr guten Weg.

Viele Köche verfeinern den Brei

Alten Sprichwörtern gegenüber darf man getrost misstrauisch sein. Besonders, wenn es sich bei den „vielen Köchen“ um die Top-Liga der Alpen-Adria Gastronomie handelt.

Nicht nur österreichweit sondern international ganz vorne dabei war Küchenchef und „Gault Millau Koch des Jahres 2021“ Max Stiegl vom Gut Purbach im Burgenland. Die Entscheidung, sich auf die weniger noblen Teile des Tieres zu spezialisieren führten ihn in eine Richtung, die es auf der gastronomischen Landkarte Österreichs vorher nicht gab. Besser gesagt: nicht mehr.

Insgesamt waren bei den Tagen der Alpen-Adria Küche 2021 über 20 Köchinnen und Köche aus Österreich, Slowenien und Italien dabei. Darunter etwa Uroš Štefelin und Ksenija Mahorčič aus Slowenien, Chiara Pavan aus Burano oder Tom Mascher und Ernst Moser aus Osttirol.

Gekocht wurde in den Küchen ausgewählter Klagenfurter Gastronomen, unter anderem in jenen von Stephan Vadnjal im Restaurant Dolce Vita oder Leo Suppan im Restaurant Leiten am Weingut Karnburg.

Früher hieß es Hausverstand, heute sagt man Nachhaltigkeit: Max Stiegl

Früher war es selbstverständlich, alle Teile des geschlachteten Tieres zu verwerten. Doch durch die überbordende Selbstverständlichkeit des Fleischkonsums rümpft man heute bei Beuschel, Kutteln und Co. eher die Nase. 

Nicht so in Purbach, wo der gebürtige Slowene Stiegl die nördlich wie südlich der Alpen traditionell bestehende Bodenständigkeit zur Vollendung bringt. Die Rustikalität seiner eigenen Wurzeln und jener der gesamten alpenländischen Esskultur werden ganz besonders beim alljährlichen „Sautanz“ deutlich: In einem kulinarischen Spektakel verarbeitet Stiegl ein ganzes Schwein. 

Die Gäste sind hautnah dabei wenn das Tier zerlegt wird und Stück für Stück nach alter Tradition an einem Dezembertag verarbeitet, verkocht oder verwurstet wird. Ein Spektakel, das eher einer geselligen Messe gleicht, denn einem Haubenmenü. Doch genau in dieser Dualität entfaltet sich Stiegls Philosophie vom Essen als Ritual, das es zu zelebrieren gilt.

Bei den Tagen der Alpen-Adria Küche war Max Stiegl im Restaurant Leiten in Karnburg zu Gast und verwandelt „Herz und Niere“ in ein Gourmet-Menü sondergleichen.

Auf den Teller kommt nur, was sich kulinarisch & moralisch argumentieren lässt: Chiara Pavan 

Aus der venezianischen Lagune reisen Chiara Pavan und Francesco Brutto an, deren Arbeit in der Tenuta Venissa auf der Insel Mazzorbo bei Burano vom Guide-Michelin mit einem Stern wärmstens empfohlen wird. Chiara Pavan, für ihren intellektuellen und intelligenten Zugang mehrfach ausgezeichnet, arbeitet zusammen mit ihrem Lebensgefährten Francesco Brutto mit den Aromen der Lagune. 

Automatisch denkt man dabei an Fisch und Krustentiere. Doch die obere Adria ist heillos überfischt, die großen Fischbestände gibt es nicht mehr. Fisch und Meeresfrüchte stammen von befreundeten Fischern und stehen ausschließlich bei Verfügbarkeit auf der Karte. Die Küche des Venissa legt aber einen wegweisenden Akzent auf eine nachhaltige Gemüseküche

„Alles was wir an Gemüse verkochen wächst im hauseigenen Garten auf einem Meter Seehöhe. Wir wechseln das Menü ungefähr alle zwei Wochen und folgen so dem Lauf der Jahreszeiten. Das ist extrem aufwändig, gerade in der Sterneküche. Aber es zahlt sich aus. Auf den Teller kommt nur, was sich kulinarisch und moralisch argumentieren lässt“,

sagt Chiara Pavan, die einen Abschluss in Philosophie hat.

Pavans und Bruttos Virtuosität ist trotz des Spitzenniveaus geprägt von Bodenständigkeit und auch von einem Hang zu unkonventionellen Entscheidungen. In Klagenfurt kochte Chiara Pavan im Restaurant Dolce Vita ein Menü aus aromatischen Wildkräutern aus der Lagune, Krustentieren aus der oberen Adria und delikate Crêpes mit Minzeis.

Auf die Frage, wie unsere Essgewohnheiten in Zukunft aussehen müssen antwortete sie knapp, aber präzise: „Tierisches Eiweiß radikal reduzieren, mehr Gemüse, Getreide und Hülsenfrüchte. Das ist hart, aber es ist das einzige, was wir tun können. Ein Stück Fleisch muss wieder etwas Besonderes werden.“

Traditionelle slowenische Küche trifft 21. Jahrhundert: Uroš Štefelin

Der Slowenische Sternekoch Uroš Štefelin, Küchenchef in der Vila Podvin nur wenige Minuten südlich von Bled, bringt die traditionelle slowenische Küche ins 21. Jahrhundert. Das reiche kulturelle Erbe Sloweniens birgt natürlich auch zahlreiche kulinarische Schätze. 

Von Piran bis Kranjska Gora sind es knapp 100 Kilometer Luftlinie. Von der Adriaküste über den Karst bis ins Hochgebirge der Julischen Alpen spiegelt dieser Landstrich die Kochtraditionen der gesamten Alpen-Adria Region wieder. Dieses reiche kulinarische Vermächtnis gilt es nicht nur zu bewahren, sondern auch ständig weiterzuentwickeln.

Inspiriert wird Uroš Štefelin nach wie vor von der Hausmannskost seiner Kindheit. Der Duft einer frischen Polenta oder das Aroma getrockneter Mostbirnen finden sich immer noch im Menü der Vila Podvin. 

Natürlich in einem zeitgenössischen Gewand und verfeinert mit erlesenen lokalen Zutaten wie wildem Knoblauch, Spargel oder Totentrompeten, ein Verwandter des gemeinen Eierschwammerls. Daneben finden sich Seeforelle, Garnelen und Huhn aus eigener Zucht. 

Auf seinen Tellern vereint Uroš Štefelin die Aromen der Region mit einzigartigen Geschmackskompositionen. Doch dabei ist keine Zutat fehl am Platz, alles hat seine Berechtigung. Daraus entstehen echte Kunstwerke, die auf der Zunge zergehen – serviert auf Porzellan, Holz oder Glas. In Klagenfurt war Štefelin in der Küche des Hotel Sandwirth zu Gast.

Das Beste aus der Region herausholen

Neben den Küchenchefs sind es die Produzenten, die mit viel Geduld und Hingabe das beste aus der Region herausholen. Sie beliefern unsere Gastköche mit Produkten in Spitzenqualität und sorgen für die Grundlage eines gesunden wie nachhaltigen Geschmackserlebnisses.

“Food ist heutzutage ein Kommunikationsmittel geworden. Im Lebensmittelüberfluss lernen wir endlich auszuwählen” 

Hanni Rützler

Vom 24. bis 26. September 2021 wurden im historischen Zentrum von Klagenfurt regionale Köstlichkeiten auf der Genussmeile verkostet. Um die 40 Aussteller präsentierten ihre Produkte. Ein Schlaraffenland des guten Geschmacks erwartete die Besucher.

Schnecken aus bestem Haus

Slow-Food im wahrsten Sinne des Wortes bietet etwa Christoph Salanda, Kärntens erster Schneckenzüchter. In seiner „Feinschneckerei“ zieht er ganzjährig „das Fleisch der Zukunft“ heran, das dann als eiweißreiche, cholesterinarme und nachhaltige Delikatesse mit leicht nussigem Geschmack auf den Tellern der heimischen Gastronomen landet. Hier ist Salanda ein wichtiger Vordenker, der den Trend weg von Schwein, Rind und Co. hin zu alternativen Eiweißquellen früh erkannt und in die Tat umgesetzt hat.

Forellenhof Jorde

Ebenfalls mit Blick in die Zukunft führt der Forellenhof Jorde in Viktring seinen Betrieb. Respekt gegenüber der Natur und höchste Wertschätzung für die Lebewesen, die in den Teichen heranwachsen – das ist nicht nur eine nachhaltige Sichtweise auf die Produktionsweise, sondern wirkt sich auch maßgeblich auf das fertige Produkt aus. Der sorgsame Umgang mit den Fischen setzt sich auch in deren Verarbeitung zu wahren Köstlichkeiten fort, die entweder ganz naturbelassen oder fein veredelt angeboten werden.

Familie Holzer

Edel sind auch die Produkte der Familie Holzer aus St. Paul im Lavanttal. In ihrem Betrieb werden Rhabarber und Erdbeeren in bester Qualität angebaut. Doch ein Produkt sticht aus dem hochwertigen Angebot besonders hervor: der Knoblauch. In der Alltagsküche wegen seines Odeurs oft stiefmütterlich, behandelt ist der Knoblauch jedoch unverzichtbarer Bestandteil fast jeder europäischen Küchentradition. 

Ein visuelles wie geschmackliches Highlight ist sicherlich der Black Garlic – oder „das schwarze Gold aus St. Paul“. Dabei handelt es sich nicht um eine neuartige Knoblauchsorte, sondern um ein durch monatelange, kontrollierte Fermentation veredeltes Produkt. Durch den Reifungsprozess entfalten die Zehen einen ganz eigenen, aromatischen Geschmack mit Noten von Vanille, Karamell, Balsamico und Tamarinde.

Kräuterwerkstatt

Ebenso Aromatisches wie Wohltuendes produziert die Kräuterwerkstatt in Mühlboden. Die kleine Drautaler Manufaktur konzentriert sich in ihrer Produktion vor allem auf heimische Bergkräuter, die im Alpenraum seit Generationen für die unterschiedlichsten Zwecke angewendet werden. Die Kraft der Natur wird in der Kräuterwerkstatt von Hand geerntet und verpackt, damit die fertigen Produkte allerhöchsten Qualitätsansprüchen gerecht werden.

Theorie & Praxis

Neben diesem umfangreichen Genussprogramm wurden auch pointierte Inputs aus der kulinarischen Trendforschung und Literatur serviert. Die österreichische Ernährungswissenschafterin und Trendforscherin Hanni Rützler publiziert jedes Jahr den Food Report, in dem sie alle maßgeblichen Entwicklungen des Jahres aufarbeitet und präzise zwischen anhaltenden Food-Trends und kurzfristigen Moden unterscheidet. 

„Ich habe das Gefühl, dass wir im Lebensmittelüberfluss der uns umgibt, zunehmend bewusster wählen. Wo macht Regionalität Sinn, wo macht konsequente Qualität Sinn, wo macht Globalität Sinn? Diese Fragen durchdringen schön langsam die Branche aber auch die Gesellschaft.“ 

Geschmacksarchäologie: Lojze Wieser

Gleichzeitig besinnt man sich vermehrt auf die eigenen Traditionen. Dieses Thema ist vor allem im Alpen-Adria Raum ein spannendes, denn hier treffen die drei großen europäischen Kulturräume aufeinander. Das kann eine extrem befruchtende Wirkung haben. Die Stärken der Region liegen genau in dieser enormen Vielfalt, denn jedes Territorium erzählt seine eigenen Geschichten, die ineinander fließen und sich gegenseitig ergänzen.

„Der große Widerspruch der industriellen Lebensmittelproduktion liegt darin, dass Produkte zwar massenweise verfügbar sind, aber gleichzeitig die Konsument*innen wie auch die Natur vergiften.“

Lojze Wieser

Lojze Wieser arbeitet seit gut zwei Jahrzehnten die kulinarischen Traditionen des Alpen-Adria Raums (und darüber hinaus) literarisch auf. Unter dem Titel „Geschmacksarchäologie“ beschäftigt sich der Kärntner Verleger und Gastrosoph mit seit jeher praktizierten Koch- und Esspraktiken, die aus unserem immer steriler werdendem Alltag zunehmend verschwunden sind.

„Wir wollen davon erzählen, wie die Menschen früher aus dem Mangel einen Reichtum gemacht haben. Daraus lassen sich Strategien entwickeln, wie die Menschheit in Zukunft ernährt werden kann.“ Wiesers Ansatz ergänzt sich dabei mit jenem von Max Stiegl. Beide wehren sich gegen die Behauptung, Nachhaltigkeit sei eine neue Erfindung. 

Lojze Wieser präsentierte den 2. Teil der „Geschmackshochzeit“ als Begleitband zu den “Tagen der Alpen-Adria Küche“ mit Geschichten, Köchen, Rezepten und Tipps zu Produzenten und Restaurants.

Kägi kocht

In diesen Tenor stimmte auch der Schweizer Food-Scout und Kochbuchautor Richard Kägi mit ein. Er stellte in Klagenfurt sein neues Kochbuch „Kägi kocht“ vor. Darin finden sich überwiegend Gemüserezepte neben vereinzelten Fleischgerichten. Zentral ist allerdings das Kapitel „Basics“. Dort werden Grundlagen erklärt, mit denen man zu Hause mit einfachen Mitteln „mehr Geschmack“ in seine Gerichte bringt.

Dadurch soll enttäuschenden Momenten am eigenen Herd und Esstisch vorgebeugt werden und die Lust am Kochen neu entfacht werden. 

Lojze Wieser und Richard Kägi sind sich auch in einem anderen Punkt einig: die Menschen müssen das Kochen wieder sinnvoll in ihren Alltag integrieren. Damit das Essen wieder zu einem Ritual wird, das über die reine Nahrungsaufnahme hinausgeht und Sinnesfreude, Geselligkeit und Zusammenhalt stiftet.

Ein Kaleidoskop des guten Geschmacks

Gastronomie auf Spitzenniveau, hervorragende Produzenten, fachliche Inputs aber vor allem ein geselliges Beisammensein – das alles boten die Tage der Alpen-Adria Küche vom 15. bis 26. September 2021 in Klagenfurt.

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